Vom Hubschrauberlandeplatz in die Druckluftkammer

Schüler:innen lernen bei den TalentTagen Ruhr den Klinikalltag und die Vielfalt des Pflegeberufs kennen

Die Knappschaft Kliniken Bergmannsheil und die Kinderklinik Buer haben im letzten Jahr erstmalig an den TalentTagen Ruhr teilgenommen – und sind in diesem Jahr wieder mit dabei! Bei einer „Exklusiven Pflege-Rallye“ konnten Schüler:innen einen Blick hinter die Kulissen einer großen Klinik werfen und unterschiedliche Facetten des Pflegeberufs kennenlernen. Bereichspflegedienstleitung Vanessa Wilk und Lisette Baal erzählen im Interview, wie sie ihre Teilnahme an der Veranstaltungsreihe erlebt und geplant haben.

Wieso haben Sie an den TalentTagen Ruhr teilgenommen?

Vanessa Wilk:

Allgemein gesprochen – um Nachwuchs zu gewinnen. Sei es für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ein Jahrespraktikum im Rahmen der Fachoberschulreife oder für die einjährige Pflegeassistentenausbildung oder dreijährige Pflegefachausbildung. In einer Veranstaltung der TalentTage Ruhr können Schüler:innen einen ersten Einblick in die Pflege gewinnen, sich über Ausbildungsinhalte informieren und verschiedene Tätigkeiten selbst ausprobieren.

Lisette Baal:

Genau, es ist ansonsten eher schwierig für junge Menschen, diesen Einblick zu erhalten. Schüler:innen unter 16 Jahren können wir in keinen Praktikumsplatz vermitteln und 1-Tages-Praktika können wir zum einen wegen der hohen gesetzlichen Auflagen eher nicht anbieten. Auch sehen wir den einen Tag Praktikum als kritisch an, weil man als Praktikant in der Pflege in kurzer Zeit wahnsinnig viele Eindrücke sammelt, die verarbeitet werden müssen.
Für junge Menschen können diese Erfahrungen im Klinikalltag auch einmal belastend sein und an einem Tag können wir diese Eindrücke nicht in Gesprächen auffangen und Situationen reflektieren.  So könnte es zu negativen Erfahrungen kommen, die dann den Weg in den Beruf unmöglich machen und das wäre absolut schade.

Außerdem ist es für uns wichtig, ein realistisches und aktuelles Bild der Pflege zu vermitteln. In Serien und Filmen ist das oftmals veraltet oder es wird ein unrealistischer Tagesablauf wie in z.B. Grey’s Anatomy dargestellt. Die Chance auf ein realistisches Bild des Pflegealltages liegt in solch einer Veranstaltung. Zugleich können wir die Vielfalt des Pflegeberufs zeigen und unterschiedliche Fachbereiche wie die Chirurgie und die Innere Medizin vorstellen. Auch innerhalb dieser Bereiche gibt es starke Unterschiede: Die Unfallchirurgie kümmert sich um ein neues Hüftgelenk und die Allgemeinchirurgie entfernt einen Blinddarm. Das sind zwei vollkommen verschiedene Bereiche und das macht es auch für uns Pflegefachkräfte so spannend.

Sie haben im letzten Jahr dreimal die Veranstaltung „Exklusive Pflege-Rallye“ angeboten. Was macht man bei einer exklusiven Pflege-Rallye?

Vanessa Wilk:

Wir haben mit den Schüler:innen verschiedene Stationen durchlaufen. Zunächst waren wir auf dem Heliport, unserem Hubschrauberlandeplatz, um zu zeigen, wie Notfall- Patient:innen hier in der Klinik ankommen. Danach sind wir in die Notaufnahme gefahren und haben uns die Schockräume angeguckt. Die Schüler:innen konnten während der Veranstaltung ihren eigenen Puls und Blutdruck messen, mit einer Motorschiene ihre Gelenke bewegen und sich gegenseitig mit dem Patientenlifter in die Lüfte heben. Wie es sich anfühlt zu tauchen, konnten die Schüler:innen in der Druckluftkammer erleben. Die wird beispielsweise bei Tauchunfällen oder auch bei starken Verbrennungen genutzt.


Viele hatten am Ende der Veranstaltungen noch Fragen, deswegen haben wir zum Schluss eine Fragerunde gemacht: Wie läuft die Ausbildung ab? Welche Qualifikationen benötigt man und wann beginnt die Ausbildung, wie viel Geld verdiene ich?

Hatten die Schüler:innen bei den unterschiedlichen Aufgaben keine Berührungsängste?

Vanessa Wilk: Alle waren total interessiert und wollten die Tätigkeiten direkt ausprobieren. Unsere Pflegeexpertinnen und -experten haben ihnen zunächst eine kleine Einweisung gegeben. Außerdem hatten wir einen Auszubildenden aus dem Oberkurs mit dabei, der den Schüler:innen das Ganze gezeigt hat. So hatten sie eigentlich keine Berührungsängste. Einer nach dem anderen hat sich in den Hebelifter gesetzt, alle sind mal drangekommen. Es war sehr schön zu sehen, dass die Jugendlichen so offen für alle Aufgaben waren und wie sie Inhalte aufgenommen haben.

Gab es nach der Veranstaltung Interessenten für die Pflegefachausbildung?

Vanessa Wilk: Ja, ein paar Interessenten waren auf jeden Fall dabei. Die Schüler:innen waren zwischen 13 und 15 Jahren alt, sodass die Ausbildung teilweise für sie noch weit weg war. Aber eine Schülerin hat sich im Anschluss für ein Schulpraktikum beworben.

Lisette Baal:  Aus unserer Sicht war die Veranstaltung ein voller Erfolg. In diesem Jahr werden wir auf jeden Fall wieder an den TalentTagen Ruhr teilnehmen, wahrscheinlich bieten wir auch das Veranstaltungsformat erneut an. Es ist bei den Teilnehmenden wirklich gut angekommen.

Wie haben Sie die Veranstaltung geplant?

Lisette Baal: Frau Wilk hat die Veranstaltung gemeinsam mit unseren Pflegeexpertinnen und -experten und der Praxisanleitung begleitet. Außerdem hat uns ein Auszubildender aus dem Oberkurs unterstützt. Uns war klar: Wir wollen keine präsentative Veranstaltung, in der einer vorne steht und erzählt. Die Schüler:innen sollten selbst aktiv werden. Und wir wollten natürlich eine Mischung aus verschiedenen Fachbereichen, nicht nur chirurgisch und nicht nur internistisch. Dann haben wir uns überlegt: Was können wir anbieten, mit dem Schüler:innen auch wirklich etwas anfangen können. Wo sieht man etwas oder wo nimmt man vielleicht auch den eigenen Körper wahr? Und es mussten natürlich Übungen sein, die nicht invasiv sind oder den eigenen Körper beeinträchtigen.

Eine Veranstaltung wurde von einer Gesamtschule belegt mit Schüler:innen mit Lernbeeinträchtigung. Haben Sie die Veranstaltungen dahingehend angepasst?


Vanessa Wilk: Eigentlich haben wir die Veranstaltung so gemacht, wie an den anderen Tagen zuvor. Den Schüler:innen hat man die Beeinträchtigung gar nicht so angemerkt. Klar, der ein oder die andere hat ein bisschen mehr Lust als andere, aber das ist in dem Alter ja ganz normal. Ich kann nicht behaupten, dass diese Gruppe jetzt auffälliger war als andere.
 

Lisette Baal:

Ergänzen kann man vielleicht noch: Wir haben in der Gruppe nicht nur über die dreijährige Pflegefachausbildung informiert, für die man einen Realschulabschluss benötigt, sondern auch die Ausbildung zur Pflegefachassistenz vorgestellt. Das ist eine einjährige Ausbildung, die nur einen Hauptschulabschluss erfordert. Im Anschluss könnte man dann noch die Pflegefachausbildung dranhängen und sich das eine Jahr anrechnen lassen. So hätte man keine Zeit verloren. Es gibt unterschiedliche Varianten, um in den Beruf einzusteigen.

Wieso sollte man in den Beruf einsteigen? Was begeistert Sie für den Beruf?

Lisette Baal:

Wir lieben unseren Beruf und freuen uns, wenn wir Jugendlichen frühzeitig Einblick in dieses spannende Tätigkeitsfeld bieten können. Sicherlich kann Pflege auch belastend sein, aber ich habe noch nie einen Beruf mit mehr Sinngebung wahrgenommen. Man hat direkt Einfluss auf den Zustand eines Menschenlebens. Ich habe in den Jahren enorm viel Dankbarkeit erhalten. Außerdem ist der Beruf unfassbar abwechslungsreich, kein Tag ist wie der andere. Man lernt ganz verschiedene Menschen kennen und baut Beziehungen zu ihnen auf. Auf einer Station erlebt man zudem echte Teamarbeit, man ist nie allein. Und: Man hat ganz viele Entwicklungsmöglichkeiten. Es gibt viele Wege, sich weiterzubilden und den nächsten Schritt in der Karriere zu machen. Und selbst wenn man sich nachher für etwas ganz anderes entscheidet: Was man in der Ausbildung zur Krankenpflege lernt, begleitet einen sein Leben lang. Das ist Wissen, was man immer gebrauchen kann.

 


 

Sie sind inspiriert und möchten ebenfalls Teil der TalentTage Ruhr werden? Ihre Veranstaltung können Sie bis zum 26. Mai 2023 online anmelden: Informationen für Anbietende.

Das diesjährige Programm der TalentTage Ruhr wird am 7. Juni veröffentlicht.

 


Weitere Artikel